15:11

Speisung der Viertausend
Predigt zu Mk 8,1–9

38 –, 4.10.2020, Bremen und Bremerhaven

Kennt ihr das, wenn man von einer Aufgabe so in ihren Bann gezogen wird, dass man zu essen vergisst? So muss es den Menschen auch gegangen sein, die mit Jesus in der Wüste zusammen waren. Ich denke, in dieser Geschichte spiegelt sich eine Erinnerung, dass es solche Treffen mit Jesus gegeben hat. Menschen sind zusammengekommen um mit und über Jesus zu reden.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
steht beim Evangelisten Markus im 8. Kapitel:

8,1Zu der Zeit, als wieder eine große Menge da war
und sie nichts zu essen hatten,
rief Jesus die Jünger zu sich und sprach zu ihnen:

2Mich jammert das Volk,
denn sie haben nun drei Tage bei mir ausgeharrt
und haben nichts zu essen.
3Und wenn ich sie hungrig heimgehen ließe,
würden sie auf dem Wege verschmachten;
denn einige sind von ferne gekommen.

4Seine Jünger antworteten ihm:

Wie kann sie jemand hier in der Wüste mit Brot sättigen?

5Und er fragte sie:

Wieviel Brote habt ihr?

Sie sprachen:

Sieben.

6Und er gebot dem Volk, sich auf die Erde zu lagern.
Und er nahm die sieben Brote,
dankte und brach sie und gab sie seinen Jüngern,
damit sie sie austeilten, und sie teilten sie unter das Volk aus.
7Und sie hatten auch einige Fische,
und er dankte und ließ auch diese austeilen.
8Sie aßen aber und wurden satt und sammelten die übrigen Brocken auf, sieben Körbe voll.
9Und es waren etwa viertausend; und er ließ sie gehen.

Lasst uns beten:
Herr Jesus Christus,
sprich zu uns durch die Predigt,
wie du zu den Viertausend gesprochen hast.

Tritt mit Macht in unser Leben,
damit du uns so wichtig wirst,
dass wir das Essen vergessen,
um nur dich zu hören.

Gib uns das Brot des Lebens.
— Amen

Liebe Brüder und Schwestern,

kennt ihr das,
wenn man von einer Aufgabe so in ihren Bann gezogen wird,
dass man zu essen vergisst?
Bei Programmieren geht mir das manchmal so,
oder, als wir die ersten Blütenlese Gottesdienste gemacht haben:
Wenn ich etwas neues erfinde
und ganz gespannt bin auf das Ergebnis,
dann geht es mir manchmal so,
dass ich auf die Uhr schaue und denke:

Wie, schon vier Uhr?
Kein Wunder, dass ich mich so flau fühle,
ich mach’ mir jetzt erst mal was zu essen!

So muss es den Menschen auch gegangen sein,
die mit Jesus in der Wüste zusammen waren.

Man kann sich trefflich darüber streiten,
wie das jetzt so ist,
mit diesen Wunder-Geschichten:
Hat Jesus wirklich das Brot vermehrt und die Fische,
so dass von der kleinen Menge
viertausend Menschen satt wurden?
Wie das auch immer genau war:
Ich denke, in dieser Geschichte spiegelt sich eine Erinnerung,
dass es solche Treffen mit Jesus gegeben hat.
Menschen sind zusammengekommen
um mit und über Jesus zu reden.

  • Sie haben Glaubensgespräche geführt.
  • Sie haben sich gegenseitig wiederholt,
    was Jesus gesagt hat.
  • Sie haben sich ausgetauscht:
    • Wie hat er das wohl gemeint?
    • Was meinst du dazu?
  • Sie haben sich gegenseitig ihre Erfahrungen erzählt.

Und über all das haben sie glatt zu essen vergessen.
Oder sie haben andere Prioritäten gesetzt:

Gehe ich jetzt los und hole mir was zu essen?
Ich will aber nichts verpassen.
Da bleibe ich lieber!

So intensiv und so schön war das dort,
dass sie sich das Essen verkniffen haben,
um möglichst viel mit Jesus, mit seinen Jüngern und den anderen zu verbringen.

Das müssen sehr unterschiedliche Menschen gewesen sein.
Es heißt ja ausdrücklich,
dass einige von weit her gekommen sind.
Dort werden sich Juden und Heiden begegnet sein,
denn wir sind auf dem Gebiet der „Zehn Städte“.
Doch sie sind alle zu Jesus gekommen
und haben Gemeinschaft mit ihm und untereinander.

Liebe Gemeinde,

Gemeinschaft heißt auf Latein „communio“.
„Kommunion“: So heißt das,
wenn wir am Abendmahl teilnehmen.
Der Inbegriff der christlichen Gemeinschaft ist das Abendmahl.

In Jesus ist Gott Mensch geworden.
Wir haben einen Gott, der weiß, was Hunger ist!
Als er die Menschen sieht,
die drei Tage nicht so richtig an Essen gedacht haben,
sagt er zu seinen Jüngern:

Mich jammert das Volk…

„Etwas geht mir an die Nieren“, sagen wir manchmal.2
So ähnlich könnte man das Wort übersetzen, das hier steht.
Die körperlichen Bedürfnisse der Menschen
lösen bei Jesus eine körperliche Reaktion aus.
Christus erkennt sich in uns
und er erkennt unsere leiblichen Bedürfnisse an.

Wir sind als leibliche Wesen geschaffen
und Gott ist es auch, der uns als leibliche Wesen versorgt.
Wir haben den Altar mit Erntegaben dekoriert heute.
Für die meisten von uns,
die wir nicht gerade in der Landwirtschaft arbeiten,
ist die Ernte ziemlich weit weg.
Trotzdem wissen wir alle,
dass wir die Pflanzen und Tiere nicht selbst herstellen.
Sie sind lebendig, sie wachsen und gedeihen –
und auch, wenn wir durch Zucht und Bewirtschaftung den Rahmen setzen:
Die Energie, die sie antreibt, kommt nicht von uns.
Es ist unser Glauben, dass der Geist Gottes das Leben gibt
und es auch vermehrt vom Samen, zum Keim, zur Pflanze
und zur Frucht.
3
Dafür sind wir heute dankbar.
Gott hat die Welt erschaffen und er erhält sie –
und wir mittendrin!

Wir legen die Erntegaben an den Altar.
Das liegt sicherlich auch daran, dass der Altar vorne steht
und wir sie dann alle sehen können.
Das ist aber auch theologisch angemessen:
Am Altar, wo wir Abendmahl feiern,
ist uns der dreieinige Gott besonders gegenwärtig:

Gott, der Vater,
das er die Welt erschaffen hat und erhält.
Er schenkt uns das tägliche Brot
und alles, was wir zum Leben brauchen.

Der Sohn, Jesus Christus, der zu uns gekommen ist,
um uns zu erlösen.
Er hat unseren Leib angenommen
und leiblich kommt er zu uns,
um uns stark zu machen im Glauben
für das Leben der zukünftigen Welt.

Der Heilige Geist, der das Leben schenkt,
und antreibt zu Wachsen und Gedeihen,
zu guten Ideen und tiefer Gemeinschaft.

Wie das Brot zusammengesetzt ist aus vielen Körnern
und der Wein gepresst ist aus vielen Trauben,
so wird hier im Altar aus vielen Menschen eine Gemeinde.

Ernsthaft?
Das ist der Anspruch, der an uns gestellt ist?

Liebe Brüder und Schwestern,
wenn ich höre, was Gott für mich getan hat,
muss ich mich schon fragen,
wie ich damit umgehe.

Die Schöpfung, in die wir gesetzt sind:
Ich bin weit entfernt davon,
euch eine ökofeministische Moralpredigt zu halten.
- Doch ich glaube, man kann nicht vernünftig leugnen,
dass der Mensch massiv in die Natur eingreift –
und zwar
auf Kosten der Natur.
- Nehmen wir die Tiere, die wir essen,
überhaupt noch als Geschöpfe wahr?
Als etwas, das mit uns zusammen geschaffen worden ist?
Als etwas, das Gottes Eigentum ist?

Erinnern wir uns noch daran,
warum Jesus am Kreuz gestorben ist?
Wegen der Sünden der anderen?
Wegen der Sünden der Juden?
Der Fremden?
Der Ausländer?
Nein. Wegen deiner Sünde.

Der Heilige Geist hat uns mit Glauben und Leben erfüllt.
Nehmen wir sein Leben an
und schauen in anderen Christenmenschen
zuallererst auf Christus?
Der Geist will uns zusammenführen
aus allen Schichten, Völkern und Rassen.
Wir streben nach der Komfortzone der Gleichgesinnten.
Ich rede jetzt noch gar nicht von Baptisten und Pfingstlern: Schon innerhalb der SELK
ist Kirchengemeinschaft oft genug theoretisch!

Diese und ähnliche Themen werden es gewesen sein,
die die Menschen damals in der Wüste wachgehalten haben.
Sie haben über das geredet, was für sie damals
dran war.
Deswegen haben sie das Essen vergessen.

Und Jesus?
Er hat sie angesehen und es hat ihn berührt.
„Es ging ihm an die Nieren“,
ihr Hunger
- nach Brot,
- nach Gerechtigkeit,
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- nach dem Reich Gottes, dass es endlich kommt.

Was Jesus dann macht ist ein bisschen wie das,
was eine Mutter manchmal macht:
Sie ist auf dem Heimweg
und die Kinder haben Hunger.
Da greift die Mutter in ihre Tasche
und „ganz zufällig“ hat sie Müsliriegel dabei,
dass die Kinder was zu Essen haben
bis zu Hause.

Sowas macht Jesus auch.
Er sorgt sich, dass wir „verschmachten“ auf dem Heimweg,
wie Luther das schreibt.
Dann schenkt er uns etwas,
hier in der Welt,
das uns durchträgt bis zum Himmelreich:

Er nahm das Brot,
dankte,
brach es…
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…und gab sie seinen Jüngern,
damit sie sie austeilten [an das Volk].
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Genau das geschieht hier am Altar.
Das Abendmahl beginnt mit dem großen Dankgebet:

Wahrhaftig würdig und recht ist es,
dass wir dich,
heiliger Herr, allmächtiger Gott,
zu allen Zeiten und an allen Orten loben
und die danken.
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Und dann teilt ein Jünger,
den Jesus dazu beauftragt hat,
das heilige Brot aus an die Gemeinde.

  • Hier hast du eine Wegzehrung bis zum Himmelreich.
  • Hier hast du den Beweis dafür,
    dass der Vater sich um dich sorgt.
  • Hier sind dir deine Sünden vergeben:
    Du brauchst dich nicht selbst rechtfertigen,
    sondern du bist gerechtfertigt von Gott.
    Du brauchst dir nichts schönreden,
    sondern hier ist Offenbarung und Klarheit.

Dies löst dich aus der Verstrickung
und schwächt deine Abhängigkeit.
Dies stärkt dich
und bewahrt dich im Glauben
zum ewigen Leben.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!8 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 σπλαγχνίζομαι; wohl eher „die Eingeweide“ als das Herz.


3 Vgl. Mk 4,26–29.


4 Vgl. Mt 5,6 „Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden“.


5 Agende S. 272.


6 Aus Mkt 8,6.


7 Agende, S. 268f.


8 Phil 4,7