17:20

Der kommende Erlöser
Predigt zu Lk 21,25–33

3 2. Advent, 8. Dezember 2019, Bremerhaven und Stade

Homilie über einen Abschnitt der Abschiedsreden Jesu aus dem Lukasevangelium.

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Ich habe heute morgen das Evangelium des Sonntages auszulegen, beim Evangelisten Lukas im 21 Kapitel.
Diese Predigt hat die Form einer Homilie:
Sie folgt den Worten der Schrift abschnittsweise.
Ich werde das Bibelwort in ihrem Verlauf vollständig wiederholen.

Der Herr segne an uns sein Wort. — Amen

Liebe Gemeinde!

Einleitung

Das Evangelium des heutigen Sonntages gehört zu den Abschiedsreden Jesu. Gegen Ende der Evangelien nimmt Jesus seinen Tod am Kreuz in den Blick.
Dabei haben wir doch heute den 2. Advent:
Wir sind doch in einer Zeit der Vorfreude auf sein Kommen!

Der Moment des Abschieds ist ein Moment des Schmerzes.
Es liegt Trost darin zu sagen:
So wird es sein,
wenn ich wiederkomme.

Die Vorfreude des Advents kann uns deutlich machen,
wie sehr wir die unmittelbare Gegenwart des Herrn vermissen.
Diese Wehmut mag sich mischen mit der Ehrfurcht
vor der Wiederkunft des Herrn zum Gericht.
Doch wir wissen:
Bei unserem Herrn ist Gnade und Wahrheit,
Gerechtigkeit und Erneuerung der Herzen und der Sinne.

WeltuntergangsszenarienV. 25–26

Jesus sagt zu seinen Jüngern:

25Es werden Zeichen geschehen
an Sonne und Mond und Sternen,
und auf Erden wird den Völkern bange sein,
und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres,
26und die Menschen werden vergehen vor Furcht
und in Erwartung der Dinge,
die kommen sollen über die ganze Erde;
denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

Es gab vor einigen Jahren
eine Sonnenfinsternis,
die man mitten am Tag
hier in Deutschland
beobachten konnte.
Das ganze wurde vorausberechnet
und ging auch durch die Medien – schon alleine,
damit sich niemand fürchtet,
wenn tagsüber Dunkelheit und Kälte über das Land gehen.

Ich wollte mir das natürlich auch anschauen.
Dieses Ereignis ist so selten,
dass man das im Grunde nur einmal im Leben miterleben kann.
Ich stand also in der Wittener Innenstadt,
zusammen mit hunderten anderer Schaulustiger
die sich für dieses kosmische Schauspiel Zeit genommen hatten
in der Mittagspause.

Der Schatten des Mondes zog über uns hinweg.
Die Menge war erfüllt von andächtigem Staunen.
Und als es wieder hell wurde rief jemand in der Menge:

Zugabe! Zugabe!

Wir können die Gestirne zwar berechnen,
beeinflussen können wir sie aber kein Stück. –
Dass wir sie berechnen können,
reicht uns aber, um ihnen die Magie zu nehmen.
Sie sind keine Götter mehr.

Außerdem lösen diese „Zeichen an Sonne, Mond und Sternen“ bei vielen große Gefühle aus.
Die Menschen in der Wittener Fußgängerzone haben ein bisschen „Weltuntergangsstimmung“ geschnuppert –
aber es bedeutete ihnen nicht mehr,
als der letzte Katastrophen-Film im Kino.
Es war vor allem eine Show:
ungefährlich und belanglos.

Doch was Jesus hier sagt,
hat Belang für dich und für deine Beziehung zu Gott
und
du hast das nicht in der Hand.
Gott ist es, dem Sonne, Mond und Sterne gehorchen.
Jesus mahnt uns hier zur Demut,
er ruft uns auf zu Glauben und zu Gebet.

Weltuntergangsstimmung ist sehr beliebt:
Umweltzerstörung,
Erderwärmung,
Waldsterben –
Es gibt keine Maikäfer mehr und keine Glühwürmchen.
Auch die Bienen haben es schwer
und die Lebensmittelproduktion ist in Gefahr.
Diesen globalen Herausforderungen
sind unsere nationalen politischen Systeme schlecht gewachsen.

Welche Partei muss ich wählen,
damit in Brasilien weniger Regenwald abgeholzt wird?

„Das Abendland geht unter“:
die Menschen gehen nicht mehr in die Kirche
und Weihnachten wird von schlechtem Marketing überwuchert.
Die Kinder wissen nicht mehr was Ostern, Pfingsten und Himmelfahrt sind.
Es ist nicht mehr
normal, was früher immer normal war.
Es ist, als wanken die Planken, auf denen wir stehen
und wir haben keinen festen Boden mehr unter den Füßen:
Sind das nicht die Zeichen für den Weltuntergang,
von denen Jesus geredet hat? —
Ich glaube nicht,
dass die Ängste,
die wir heute haben,
größer sind,
als die Ängste der Generationen vor uns.
Doch jede Generation meint,
„früher war alles besser“
und wir seien die, die den Weltuntergang ertragen müssten.
Das macht
uns zu den Privilegierten.
Wir erben das Reich.
Dann wird das Reich Gottes zu
unserem Reich.

Liebe Brüder und Schwestern,
Jesus’ Rede vom Himmelreich ist nicht dazu bestimmt,
uns Angst zu machen.
Im Gegenteil!
Jesus weiß,
dass unsere Welt und unser Leben ständig in Frage steht.
Was für seine Zuhörer Hunger, Wundbrand und Pest waren,
sind für uns Klimakrise und gesellschaftlicher Wandel.
Er selbst, der Gott-Mensch,
hat sich ja zu uns in diese Welt gestellt.
Er ist geboren worden
und hat Schmerz und Leid am eigenen Leibe erfahren.
Wir können ganz sicher sein,
dass er weiß, wie es ist, ein Mensch zu sein.
Das müssen wir bedenken,
wenn wir seine Worte hören.

Jesu Predigt vom HimmelreichV. 27–28

Jesus sagt weiter:

27Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.
28Wenn aber dieses anfängt zu geschehen,
dann seht auf und erhebt eure Häupter,
weil sich eure Erlösung naht.

Wir sollen das Kommen des Reiches nicht so fürchten,
dass wir in Panik geraten,
sondern „Ehrfurcht“ vor unserem Richter haben.
Wir sollen uns erheben,
um das Urteil des Richters zu empfangen.
Doch dieses Urteil ist nicht vernichtend,
sondern es ist schöpferisch.

Gott muss uns zurechtbringen,
denn wir sind Sünder.
Aber er
wird uns zurechtbringen,
denn er ist unsere Erlösung.

Sein Urteil ist gerecht. Deswegen ist es ein hartes Urteil.
Doch dieses Urteil ist
für uns und nicht gegen uns.
Wir brauchen uns nicht fürchten.
Gottes Gericht
ist ein Gericht ohne Angst.
Deswegen sollen wir unsere Gesichter erheben,
ihm, unserem Richter, entgegen.
Er wird liebevoll auf uns herabschauen.

Ja, wir sind, was wird sind,
aber vor unserem Vater brauchen wir uns nicht schämen.
Hier sind wir geliebt und als wertvoll erachtet,
egal, was die anderen sagen.

Mit dieser Gewissheit überstehen wir die Bedrängnis jeder Endzeit!
Ohne Angst
und mit erhobenem Haupt
können wir unser Leben in der Welt angehen.
Wir brauchen an nichts festzuhalten und zu klammern.

  • Wir müssen uns nichts schönreden:
    Der industrielle Lebensstil
    zusammen mit dem kapitalistischen System
    zerstört die Umwelt.
    Ohne Panik können wir nach Lösungen suchen.
  • Wir brauchen auch auch keine Alibis erfinden:
    Bambus-Zahnbürsten
    und Vollkorn-Schraubenschlüssel lösen die Krise nicht.
    Alle unsere Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten
    müssen auf den Prüfstand
    und
    können auch auf den Prüfstand:
    - was wir essen,
    - was wir anziehen,
    - wie wir uns fortbewegen,
    - wie wir unsere Länder und unsere Politik organisieren.
  • Das „christliche Abendland“ geht zu Ende. —
    Ich finde das fast schon gut.
    Die Kirche ist über die Jahrhunderte faul und träge geworden.
    Sie hat es gar nicht mehr nötig gehabt,
    Menschen zu erklären,
    - warum Gottesdienst wertvoll ist,
    - warum Jesu Botschaft wichtig ist.
    Jetzt muss sie sich auf die Hinterbeine stellen
    und ihren Inhalten Gehör verschaffen.
    Die Menschen kommen nicht mehr automatisch,
    sondern sie müssen gewonnen und überzeugt werden –
    genau wie Jesus es will!

Liebe Brüder und Schwestern,
wir mögen in einer Zeit des Umbruchs leben,
aber dieser Herausforderungen sind nicht schlimmer,
als das, was Menschen zu allen Zeiten durchmachen mussten.

Nicht in Angst und Verzagtheit gehen wir unseren Weg,
sondern erhobenen Hauptes.
Wir
erheben unser Haupt aber nicht,
weil wir stolz auf uns sind,
nein!
sondern weil wir aufschauen zu unserem Herrn Jesus Christus.
Er ist die wahre Gnadensonne,
2
von der wir alles Gute in unserem Leben erwarten.

Das Gleichnis vom Ölbaum und allen BäumenV. 29–31

Hört, wie Jesus seine Rede fortsetzt:

29Und Jesus sagte ihnen ein Gleichnis:
Seht den Feigenbaum und alle Bäume an:
30wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es,
so wißt ihr selber, daß jetzt der Sommer nahe ist.
31So auch ihr: wenn ihr seht, daß dies alles geschieht,
so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.

Das Wesen des Himmelreich ist Zuverlässigkeit,
denn sein Leben fließt aus der Treue Gottes.

Jesus vergleicht das Reich Gottes mit dem Sommer der Ernte,
nicht mit dem Winter der Dürre und des Mangels.
Wir können den Zeitpunkt seiner Ankunft
nicht zu
unserem Zeitpunkt machen.
Gott passt sein Reich nicht unserem Plan an.
Doch wir wissen, dass Segen in Fülle auf uns zukommt.
Nicht Reichtum,
nicht Sicherheit,
nicht Stabilität
retten unser Leben,
sondern die Quelle des Lebens kommt zu uns
aus dem Himmel.

Weissagung an „dieses Geschlecht“ und über die WorteV. 32–33

Jesus endet mit folgenden Worten:

32Wahrlich, ich sage euch:
Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht.
33Himmel und Erde werden vergehen;
aber meine Worte vergehen nicht.

„Dieses Geschlecht“, Brüder und Schwestern, sind wir.
Diese Anrede Jesu gilt nicht unseren Vorvätern,
die tot sind
und sie gilt nicht unseren ungeborenen Kindern und Enkeln,
sondern sie gilt
uns,
die wir jetzt leben
und unser Leben gestalten.

Himmel und Erde werden vergehen
und mit ihnen alle Häuser, die wir gebaut haben,
alle Scheunen, die wir gefüllt haben,
alle Bücher, die wir geschrieben haben –
aber das Wort Gottes vergeht nicht.
Das liegt aber nicht an dem Wort,
das auf dem Papier steht,
sondern an dem,
der dieses Wort spricht:
Hier, jetzt, zu uns:
Der Herr Jesus Christus will bei uns sein
in seinem Wort,
in und unter dem Sakrament des Alters.
Er will unser Gebet hören,
unser Lob und unsere Klage,
unsere Bitten und unseren Dank.

Was sind schon die Weltuntergangsszenarien im Vergleich zu dieser Zusage?

Steh auf, erhebe dein Haupt:
Dein König kommt zu dir,
ein sanfter und ein gerechter.
Er nimmt dich an,
er bringt dich zurecht,
denn du bist wertgeachtet in seinen Augen. — Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!3 Amen.

1 1.Kor 1,3


2 Vgl. ELKG 25.


3 Phil 4,7