16:53

„Geh weg von mir...“
Predigt zu Lk 5,1–11

29 5. So. n. Trinitatis, 12. Juli 2020,

Die Art, wie Petrus auf das Wunder reagiert, ist, wie ein normaler Mensch reagiert: „Geh weg von mir, denn ich bin ein Sünder!“

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
1 Amen.

Das Wort Heiliger Schrift, das diese Predigt auslegt,
ist das Evangelium,
das wir gerade gehört haben.

Lasst uns beten: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege!2 — Amen

Liebe Gemeinde!

Hans-Jakob Peters ist Schlossermeister.
Seit 20 Jahren arbeitet er in seiner Firma.
Inzwischen leitet er die Instandsetzung in seinem Werk,
das heißt, er ist verantwortlich dafür,
dass alle Maschinen laufen.
Er arbeitet viel in der Nachtschicht,
weil das die Zeit ist,
in der die Maschinen stehen
und er mit seinen Leute was machen kann.

Die letzte Nacht war für ihn sehr frustrierend.
Es gibt ein Problem mit der Anlage,
aber er hat die Ursache nicht finden können,
geschweige denn, dass er eine Lösung hätte.
Das Problem hält die ganze Produktion auf.
Gleich kommt die Tag-Schicht
und kann ihr Pensum nicht produzieren.
Von der Produktion hängt die Erfüllung der Aufträge ab,
von den Aufträgen Folgeaufträge,
von den Folgeaufträgen Arbeitsplätze. —
Der Druck ist immens.

Hans-Jakob tritt vor die Werkshalle
und da ist eine Gruppe von Menschen,
die hören einem Redner zu.
Der Redner fragt:

Darf ich mich auf eure Rampe stellen,
damit die Leute mich besser hören können?

Hans-Jakob hat nichts dagegen.
Während er eine Zigarette raucht,
hört er dem Redner zu,
was er zu sagen hat.
Er redet darüber,

  • dass das Himmelreich nahe herbeigekommen sei,
  • dass Gott Gerechtigkeit aufrichten wird,
  • und dass die Armen und Gebeutelten
    Frieden und Leben ererben werden.

Hans-Jakob hört ihm zu,
deutlich länger als eine Zigarettenlänge.
Was seine Aufmerksamkeit hält,
ist nicht die Rhetorik.
Dieser Mensch sagt nicht irgendwelche Dinge,
die man auf ein kitschiges Poster drucken würde.
Er sagt auch nichts,
das dem Verstand der Verständigen
3 besonders plausibel ist.

Was Hans-Jakobs Aufmerksamkeit hält,
ist die
Vollmacht, mit der der Prediger daherkommt.
Der redet nicht von Gott als dem „Unbewegten Beweger“
oder dem „absoluten Irgendwas“,
sondern der redet von Gott so,
wie ein Mensch von seinem Vater redet.

Am Ende seines Vortrages
wendet sich der Redner zu Hans-Jakob und sagt:

Schau doch mal da-und-da nach.
Das wird dein Problem lösen.

Das ist wirklich überraschend.
Es ist ein bisschen auch eine Frechheit:
Er, der Meister mit 20 Jahren Erfahrung
hat die ganze Nacht gesucht
und das Problem nicht gefunden.
Und dann kommt einer von außen,
ein religiöser Redner,
und meint, er wisse es besser.
Das ist eine kleine Verrücktheit.
Jeder normale Mensch würde sagen:

„Das funktioniert nicht“.

Die Fischer vom See Genezareth
hatte die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.
Und als der Schreiner aus Nazareth ihm sagt:

Fahr hinaus,
– am Tag, wenn die Fische nicht an der Oberfläche sind –
wo es tief ist,
– dahin, wo die Fische leicht ausweichen können –
und werft eure Netze aus.

Das ist eine kleine Verrücktheit.
Jeder würde sagen:

„Das funktioniert nicht“.

Doch Petrus reagiert ganz anders:

„Auf das hin, was du sagst,
will ich die Netze auswerfen“.

Liebe Brüder und Schwestern,
auch wir tun manches
auf das hin,
was Jesus gesagt hat.

Wir feiern Abendmahl,
weil Jesus gesagt hat:

„Tut dies zu meinem Gedächtnis“.

Wir vertreten vor der Christenheit,
vor der Welt
und – nicht zuletzt – vor uns selbst,
dass Jesu Leib und Blut im Sakrament
wirklich gegenwärtig ist.
Wir tun dies,
weil Jesus gesagt hat:

„Dies ist mein Leib…“
„Dies ist das neue Testament
in meinem Blut…“
„Für euch gegeben…“

Dabei sparen wir uns große intellektuelle Ausreden,
wie das jetzt nun sein
könnte,
dass sich das noch anfühlt wie Brot,
aussieht wir Brot,
schmeckt wie Brot, usw,
aber trotzdem Jesu Leib und Blut sei.

Wir gehen auch nicht den anderen Weg uns sagen:

„Das ist aller nur symbolisch“.

Nein, sondern weil Jesus gesagt hat:

„Dies ist mein Leib…“
„Dies ist mein Blut…“
„Für euch…“

…glauben wir das,
glauben wir
ihm das.

Damit ist immer noch die Frage zu klären,
was das jetzt bedeutet.
Warum hat Jesus das gesagt?
Und welche Rolle, welchen Nutzen
hat das Abendmahl in unserem Leben? –
Das sind wichtige Fragen,
die alle eine tiefsinnigen Auseinandersetzung verdienen.
Aber der Startpunkt ist das,
was Jesus sagt.

Dabei ist mir wichtig,
was „glauben“ bedeutet:

„Glauben“ bedeutet nicht,
dass man das nachspricht,
was die Kirche einem vorsagt.

„Glauben“ bedeutet,
dass man Jesus vertraut,
dass man Jesus abnimmt,
was er da sagt.

Das gilt auch für das Glaubensbekenntnis im Gottesdienst.
Das wirkt ja immer so wie Vorsagen–Nachsagen.
Die Sätze sind ja auch stark verdichtet
und werden auswendig hergesagt.
Aber auch dieses Bekenntnis
kann ein Bekenntnis des Herzens sein.

Wir hatten im Blütenlese-Team die Frage,
ob wir ein Glaubensbekenntnis im Video-Gottesdienst haben wollen.
Wem bekennt man zu Hause auf dem Sofa seinen Glauben?

Da ist wichtig zu sehen:
Glaubensbekenntnis
kann nach außen gerichtet sein,
zu den anderen Menschen.
In erster Linie aber ist es
Antwort auf das Evangelium.

Der Kern des Evangeliums ist,
dass Jesus etwas sagt.
Gegen die Weisheit der Weisen
und den Verstand der Verständigen sagt er:

Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.
Und ich will
dich für das Himmelreich gewinnen.
Ich gebe meinen Leib und mein Blut
am Stamm des Kreuzes
für dich
und zu deinem Heil.

Das ist eine kleine Verrücktheit.
Aber auf das hin,
was Jesus sagt antworten wir:

Ich glaube.
Und ich komme zum Altar als einer,
der hier mit dem lebendigen Gott Gemeinschaft hat –
wirklich und körperlich.

Liebe Gemeinde,
ich möchte meine Kleine Nacherzählung noch zu Ende bringen
und uns die Antwort des Petrus
auf das Wunder noch mal deutlich vor Augen stellen.

Der Schlossermeister Hans-Jakob Peters,
Leiter der Instandsetzung,
geht also auf das Wort des Predigers hin in seine Halle,
an die Stelle, wo der gesagt hat.
Er findet dort die Ursache
und die Lösung für sein Problem.
Er repariert die Maschine
und die Produktion läuft nicht nur so gut, wie vorher,
sondern mit nie gekannter Effizienz und Zuverlässigkeit.
Die Aufträge werden abgearbeitet,
die Auftragsbücher füllen sich,
Kurzarbeit wird aufgehoben
und die Geschäftsleitung schreibt eine Prämie aus
für alle Kollegen, die neue Mitarbeiter gewinnen können:
Wir brauchen Personal!

Hans-Jakob geht raus,
sucht sich den Prediger und sagt zu ihm

„Hau bloß ab!
Mach dich vom Hoff und komm nicht wieder!

Ich will in einer Welt leben,
in der die Weisheit der Weisen etwas gilt
und der Verstand der Verständigen einen nach vorne bringt.

Ich will in einer Welt leben,
in der der Weihnachtsmann,
der Osterhase
und der liebe Gott
für Kinder sind —
und Tote liegen bleiben in ihren Gräbern!“

Oder mit den Worten des Apostel Petrus:

„Herr, geh weg von mir!
Ich bin ein sündiger Mensch“.

Das ist eine ganz normale, „angemessene“ Reaktion.

Ich habe ja vorhin vom Glaubensbekenntnis geredet.
Und zum Glaubensbekenntnis gehört das Sündenbekenntnis.

Es ist ganz interessant,
dass das das selbe Wort ist: „Bekenntnis“.
Dabei sind Glaube und Sünde je sehr unterschiedliche Dinge,
wenn nicht sogar
gegensätzliche Dinge.
Trotzdem
bekennen wir beide.

Aus meiner Sicht
ist ein Bekenntnis etwas,
das die Beziehung zwischen uns und Gott zur Sprache bringt.
Glaubensbekenntnis
und Sündenbekenntnis stellen klar,
wie Mensch und Gott sich zu einander verhalten:

  • Der Mensch bricht mit dem,
    was Gott in ihm geschaffen hat.
  • Und Gott liebt uns,
    nimmt uns an
    und obwohl wir uns wehren,
    setzt er seine Schöpfung an uns fort.

Ich glaube, das eine kann nicht ohne das andere sein.

  • Wenn unser Glaubensleben nur aus Sündenbekenntnis besteht,
    werden wir traurig und belastet,
    obwohl Gott unsere Freude will und uns erlöst.
  • Wenn wir nur vom „lieben Gott“ reden,
    stellen wir Gott mit dem Weihnachtsmann
    und dem Osterhasen auf eine Stufe
    und das Reden der Kirche wird belanglos.

Deswegen finde ich es sehr angemessen,
dass unser Gottesdienst mit dem Rüstgebet beginnt:

„Herr, sei mir Sünder gnädig“.

So beginnen wir den Gottesdienst.
Und der ganze Rest
klingt mit der Melodie von Jesu Antwort:

„Fürchte dich nicht…“

„Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst;
ich habe dich bei deinem Namen gerufen;
du bist mein!“
4

Den Fischern vom See Genezareth,
dem Hans-Jakob Peters
und uns
sagt Jesus:

„Fürchte dich nicht!
Du bist jetzt nicht mehr, was du bist,
sondern du bist etwas ganz anderes“.

Wir sind jetzt die,
die frei und ohne Angst bekennen,
dass sie der Gnade Gottes
und seiner liebevollen Neuschaffung bedürfen.

Wir sind jetzt die,
die frei vor der Welt,
vor sich selbst
und vor Gott bekennen,
dass sie glauben
und dass sie auf Jesu Wort hin
alle Wunder dieser Erde erwarten
„und das Leben der zukünftigen Welt“.
5Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!6 Amen.

Der Fischzug des Petrus’

1Es begab sich aber, als sich die Menge zu ihm drängte,
um das Wort Gottes zu hören,
da stand er am See Genezareth
2und sah zwei Boote am Ufer liegen;
die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.

3Da stieg er in eines der Boote,
das Simon gehörte,
und bat ihn, ein wenig vom Land wegzufahren.
Und er setzte sich und lehrte die Menge vom Boot aus.

4Und als er aufgehört hatte zu reden, sprach er zu Simon:

Fahre hinaus, wo es tief ist,
und werft eure Netze zum Fang aus!

5Und Simon antwortete und sprach:

Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet
und nichts gefangen;
aber auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.

6Und als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische,
und ihre Netze begannen zu reißen.
7Und sie winkten ihren Gefährten,
die im andern Boot waren,
sie sollten kommen und mit ihnen ziehen.
Und sie kamen und füllten beide Boote voll,
so dass sie fast sanken.

8Als das Simon Petrus sah,
fiel er Jesus zu Füßen und sprach:

Herr, geh weg von mir!
Ich bin ein sündiger Mensch.

9Denn ein Schrecken hatte ihn erfasst und alle,
die bei ihm waren, über diesen Fang,
den sie miteinander getan hatten,
10ebenso auch Jakobus und Johannes,
die Söhne des Zebedäus,
Simons Gefährten.

Und Jesus sprach zu Simon:

Fürchte dich nicht!
Von nun an wirst du Menschen fangen.

11Und sie brachten die Boote ans Land
und verließen alles und folgten ihm nach.

1 1.Kor 1,3


2 Ps 119,105


3 Vgl. Epostel, 1.Kor 1,18–25.


4 Jes 43,1


5 Vgl. Nicaenum, ELKG S. 18.


6 Phil 4,7